Etappe 3
Treibhausgase bilanzieren

Der Ausgangs- und Referenzpunkt
Die Etappe umfasst die Erfassung, Berechnung und Berichtslegung zum „Treibhausgas-Fußabdruck“ der Verwaltung, die sich an dem international etablierten Standard des Greenhouse Gas Protocols orientiert. Sie beantwortet die Frage „Wo stehen wir eigentlich?“ und zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht. Gerade für Verwaltungen, die erst am Anfang stehen, ist das Festlegen eines Basisjahres und Erarbeiten der ersten Bilanz eine große Aufgabe. Mit jeder weiteren Bilanzierung werden jedoch Routinen aufgebaut, die den Prozess kontinuierlich verbessern.
Die erste Bilanz ist immer die schwerste, aber nie die genaueste.
Material
Memo zu Grundlagen
Checkliste für die Konformität nach Greenhouse Gas Protocol Corporate Standard
Foliensatz Startbilanz
Hilfestellung Datenabfrage
Übersicht Beispiele
Hilfestellung Arbeitswege
Publikationen

Greenhouse Gas Corporate Accouting and Reporting Standard
Global Reporting Initiative 305
European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Berichtsrahmen Nachhaltige Kommune (BNK)
Eco-Management and Audit Scheme (EMAS)
DIN EN ISO Norm 14064-1
Veröffentlichte Bilanzberichte von Kommunalverwaltungen
Stadt Hamburg
„Abschluss-Bericht zum CO₂-Fußabdruck der Landesverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg“ (2019):
Stadt Ingolstadt
„Klimaneutrale Stadtverwaltung 2030 – Startbilanz 2019 – Berechnung des CO2e-Fußabdrucks der Stadtverwaltung Ingolstadt“
Stadt München
„Carbon Footprint der Stadtverwaltung München – Ergebnisbericht“ (2020)
Stadt Mainz
„Klimaneutrale Stadtverwaltung Treibhausgasbilanz der Jahre 2019 - 2021 – Startbilanz“ (2023)
Stadt Nürnberg
„Nürnberg auf dem Weg zur klimaneutralen Stadtverwaltung – Fachgutachten mit Treibhausgasbilanz und Handlungsempfehlungen für eine klimaneutrale Stadtverwaltung bis zum Jahr 2035“ (2023)
Stadt Münster
„Klimaneutrale Stadtverwaltung 2030 - Konzeptstudie für die Stadtverwaltung: Startbilanz, Maßnahmen, Szenarien und nächste Schritte“ (2021)
Region Hannover
Verwaltungsinterne Treibhausgasbilanz 2022 der Verwaltung der Region Hannover
FAQ
Die Fragen und Antworten kommen aus der Arbeit mit Modellkommunen. Im Projektverlauf haben diese an Lernwerkstätten sowie individuellen Beratungen zu unterschiedlichen Schwerpunkten teilgenommen. Ihre Frage ist nicht mit dabei? Dann schreiben Sie an marion.elle@ie-leipzig.com.
Nein, eine Bilanzierung nach BISKO reicht für die Betrachtungsebene der kommunalen Verwaltung nicht aus, da hier vor- und nachgelagerte Emissionen (Scope 3) nicht separat erfasst und ausgewiesen werden. Für die Betrachtungsebene der Gesamtkommune gilt in Deutschland die Bilanzierungssystematik kommunal (BISKO) als Standard, der die endenergiebasierten Treibhausgase auf dem Territorium der Kommune betrachtet (Prinzip „Käseglocke“). Je nach Möglichkeit können auch Emissionen aus kommunalen Zuständigkeiten wie Liegenschaften oder Fuhrparks abgebildet werden. Für die Betrachtungsebene der Verwaltung müssen aber alle wesentlichen Emissionen erfasst werden, die durch die Verwaltung verursacht werden (Prinzip „Wirkungskette“). Dazu zählen dann auch Emissionen, die entweder außerhalb des Territoriums anfallen oder nach BISKO dem Verkehr zugeordnet sind, wie z. B. Emissionen aus Arbeitswegen, Dienstreisen, Beschaffungen oder Ernährung.
Das Ausgangsjahr 1990 wurde seinerzeit durch das Kyoto-Protokoll eingeführt und gilt seitdem als Vergleichsjahr für übergeordnete Verpflichtungen. Um Reduktionen im Vergleich zu diesem Jahr ausweisen zu können, müssten Verwaltungen rückwirkend eine Bilanz für das Jahr 1990 aufstellen. Hierzu fehlen meist die notwendigen Daten. Außerdem haben sich Verwaltungen in ihrer Struktur seitdem größtenteils stark verändert, sodass eine Vergleichbarkeit oft nicht gegeben ist. Legen Verwaltungen eine Startbilanz vor, gilt diese als zentraler Referenzwert. Die Stoßrichtung für die Entwicklung der Emissionen seit 1990 oder mit aktuellerem Datum ist jedoch immer gleich: weit vor dem Jahr 2045 soll die Treibhausgasneutralität erreicht werden.
Eine pauschale Empfehlung für ein Tool kann es nicht geben, da die Auswahl einiger grundlegender Überlegungen bedarf. Möchte die Kommune eher ein kostenfreies Tool verwenden oder ein Lizenzprodukt? Ist gewünscht, dass Berechnungswege transparent sind? Sollen Emissionsfaktoren automatisch aktualisiert werden? Soll die Befüllung selbstständig durch eine oder mehrere Personen in der Verwaltung oder durch einen Dienstleister erfolgen? Ferner unterscheiden sich mögliche Tools dahingehend, ob Daten aggregiert eingegeben werden müssen oder „bottom-up“ erfasst und aufsummiert werden. Meist fällt der größte Arbeitsumfang beim Zusammentragen, Aufbereiten und Plausibilisieren der Daten an, bis diese „tool ready“ sind. Das Einpflegen ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt, der bei vielen Tools aber ähnlich aufwendig ist.
Ein Modul oder Funktion für die Erstellung einer Startbilanz für die treibhausgasneutrale Verwaltung ist aktuell weder im Klimaschutz-Planer noch in ECOSPEED Region möglich. BISKO umfasst eine territoriale Betrachtung, bei der vor- und nachgelagerter Emissionen nicht bilanziert werden. Daher müssen derzeit andere Tools genutzt werden, welche die Anforderungen des Greenhouse Gas Protocols für Organisationen (Corporate Standard) erfüllen sowie die dafür notwendige, detaillierte Datenerfassung ermöglichen.
In der Regel folgt die Systemgrenze dem operativen Kontrollansatz, d. h. alles, worüber die Verwaltung die Kontrolle hat (eigene Liegenschaften, Fuhrpark, Straßenbeleuchtung, Mitarbeitende) gehören zum System, darunter auch die Eigenbetriebe. Vereinfacht kann man auch sagen, dass alle Bereiche, wo die Kommune Energiekosten bezahlt, Entscheidungs- und Weisungshoheit besitzt, sowie die Nutzung innehat, zur Kernverwaltung zählen.
Die Arbeitswege der Mitarbeitenden sind nach dem Bilanzierungsprinzip des „Greenhouse Gas Protocol Corporate Accounting and Reporting Standards“ als wesentlich einzuschätzen und sollten daher bilanziert werden, um ein realistisches Bild des THG-Fußabdrucks der Verwaltung darzustellen. Organisationen, die diese Emissionen nicht ausweisen, schmälern ihren Fußabdruck, obwohl sie hier Verantwortung tragen. Der Einfluss ist nicht gering. Über Anreize und gute Angebote können Arbeitgebende viel tun, um umweltfreundliche Mobilität der Mitarbeitenden zu fördern und um ihrer Vorbildwirkung gerecht zu werden. Dies lässt nicht nur die Emissionen sinken, sondern fördert darüber hinaus die Gesundheit bei Mitarbeitenden und die Attraktivität des Arbeitgebenden.
Die „graue Energie“ wird in der Regel bei Verbrauchsgütern oder Anschaffungen in Scope 3 erfasst. Die Bilanz wird für den Betrachtungszeitraum von einem Jahr erstellt. Werden Güter wie Möbel oder Geräte oder auch Verbrauchsmaterialien angeschafft, werden die Emissionen, die bei deren Herstellung angefallen sind, im Jahr der Anschaffung der Verwaltung zugerechnet. Schwieriger ist es bei „grauer Energie“ von Baustoffen und Bautätigkeiten. Da hier die Datenerfassung sehr komplex ist, werden diese Emissionen meist nicht berücksichtigt, obwohl sie im Kontext der Verwaltung sehr wesentlich sein können. Aber auch hier greift das Prinzip, dass die Emissionen, die bei der Herstellung anfallen, im Jahr der Anschaffung oder der Beauftragung der Verwaltung zugerechnet werden.
Sobald Emissionen in/aus einer kommunalen Liegenschaft freigesetzt werden, werden sie Scope 1 zugeordnet („Dort, wo der Schornstein steht“, z. B. Heizkessel). Wenn nur die Energie in der Liegenschaft genutzt wird, aber keine Emissionen direkt in den Gebäuden emittiert werden, werden sie Scope 2 zugeordnet (z. B. Bezug von Fernwärme). Hinzu kommen noch Emissionen aus Vorketten der Energieerzeugung, die Scope 3 zugeordnet werden (z. B. Raffinerien/Transport von Erdgas oder Heizöl). Meist erfolgt die Zuordnung in Scope 3 in den Bilanzierungs-Tools automatisch.
Ja, das ist möglich. Die Methodik des „Greenhouse Gas Protocol Corporate Standards“ erlaubt die sogenannte „marktbasierte“ Bilanzierung, bei der man vertragliche Regelungen – wie den Bezug von emissionsarmem Ökostrom – darstellen darf. Hier kann der Ökostrom sogar mit einem Emissionsfaktor von 0 Gramm pro Kilowattstunde angesetzt werden. Wichtig dabei ist zu beachten, dass man aber den Vergleich zum regulären Bundesstrommix herstellen und auch erläutern muss, welche Emissionen anfallen würden, wenn man keinen Ökostrom beziehen würde. Im Idealfall sind auch noch der Verlauf und die Höhe des Stromverbrauchs zu erwähnen, damit Einsparungsbemühungen sichtbar werden.
Freiwillige Kompensationen erfolgen meist als „Offsetting“, das bedeutet, dass sie nicht direkt in der Bilanz ausgewiesen werden, sondern eine separate Rechnung aufgestellt wird, in der der THG-Fußabdruck mit den THG-Minderungen von Emissionszertifikaten verrechnet wird. Die Fachbüros des IkKa-Konsortiums sehen die freiwillige Kompensation nicht als zielführend an und empfehlen Verwaltungen, darauf zu verzichten. Natürliche Senken, sofern sie direkt zur Verwaltung zählen, könnten gemäß ISO-Norm 14068-1 eingerechnet werden. Dabei ist jedoch entscheidend, dass es sich um natürliche Senken handelt, die direkt zum System der Verwaltung zählen (z. B. Bäume auf Grundstücken, die der Verwaltung gehören) und nicht um natürliche Senken, die für die Öffentlichkeit betrieben und nicht einem Einzelakteur zugerechnet werden sollten (z. B. Stadtwald).
In einem ersten Schritt wäre es empfehlenswert, sich am Greenhouse Gas Protocol Corporate Standard zu orientieren, d. h. die Erfassung von Scope 1 und Scope 2 Emissionen verpflichtend darzulegen sowie die Emissionen aus Scope 3 nach Wesentlichkeit und Datenverfügbarkeit. Die ISO EN DIN-Norm 14064-1 entspricht weitestgehend dem GHG Protocol, sieht aber die Erfassung der Scope 3 Emissionen als verpflichtend an. Diese Verpflichtung ist für Verwaltungen, die eine erste Bilanz aufstellen, oft sehr schwierig zu erfüllen. Zentrale Scope 3 Emissionen sollten jedoch immer betrachtet werden, hier insbesondere die Arbeitswege der Mitarbeitenden und nach Möglichkeit Beschaffung/Verbrauchsmaterialien. Eine Flexibilität, dann Zug um Zug mehr Scope 3 Emissionen zu erfassen, ist zu bevorzugen (Orientierung am GHG Protocol).
Die Datenbeschaffung muss aus zwei Richtungen organisiert werden. Zum einen helfen strukturierte Abfragelisten, was genau erhoben werden muss. Der Blick in das verwendete Tool hilft zu klären, wie und welche Daten eingegeben werden müssen (Einheiten, Emissionsfaktoren). Zweitens muss geklärt werden, wie die Daten vorliegen. Am besten lässt man sich hier die Rohdaten geben. Nicht zu unterschätzen ist der „Faktor Mensch“: die zuständigen Personen ansprechen, Prozesse kommunizieren, Anforderungen besprechen und Zug um Zug gemeinsam daran arbeiten, Lücken zu schließen.
Für die Datenbeschaffung müssen immer die zuständigen Personen in der Verwaltung direkt eingebunden werden. Bei der Abfrage, Zusammenstellung, Plausibilisierung und Aufbereitung können Dienstleister eingebunden werden. Durch einen externen Dienstleister spart man sich Arbeitsaufwand, aber es fehlt möglicherweise dann an Detailwissen hinter den Zahlen. Meist haben Verwaltungen den Anspruch, die Datenbeschaffung irgendwann in eigener Verantwortung zu leisten.
Gibt es Fragen?
Haben Sie Fragen oder Anregungen zum Projekt Etappen-Rucksack ?
Kontaktieren Sie uns gern. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Ilka Erfurt
Geschäftsführerin
Leipziger Institut für Energie GmbH
Telefon: 0341-22476219
E-Mail: ilka.erfurt@ie-leipzig.com

Marion Elle
Projektleiterin Energie & Klimaschutz
Leipziger Institut für Energie GmbH
Telefon: 0341-22476215
E-Mail: marion.elle@ie-leipzig.com